Graffiti in Arbeit im Wiener Karl-Farkas-Park.

Foto: Milena Österreicher

Die weißrussische Künsterlin Yu-Baba war im Rahmen des Street Art & Graffiti Festival "Calle Libre" zu Gast in Wien.

Foto: Milena Österreicher

STANDARD: Sie nennen sich "Yu-Baba". Warum?

Yu-Baba: Das ist mein Spitzname aus Uni-Zeiten und eigentlich der Name einer Hexe aus dem Cartoon "Spirited away". In meiner Sprache – ich spreche Russisch – bedeutet "baba", dass ich eine Frau bin. Es heißt Frau oder Großmutter. Im Russischen zeigt es das Weibliche. Und "Yu" steht für Julia, meinen Vornamen.

STANDARD: Warum ist es wichtig, dass in Ihrem Künstlerinnennamen auf das Weibliche hingewiesen wird?

Yu-Baba: Mir war es wichtig, weil es nicht sehr viele Frauen im Graffiti-Bereich gibt. Normalerweise sieht man ja nicht das Gesicht der KünstlerInnen, wenn man ein Bild auf der Straße oder im Internet sieht. So weiß niemand, ob ein Mann oder eine Frau es gezeichnet hat. Und mein Name zeigt auf diese Weise, dass dahinter eine Frau steckt.

STANDARD: Sie sind die einzige internationale Künstlerin beim Festival. Ist Graffiti eine männliche Domäne?

Yu-Baba: Ja, wie Sie hier sehen können, gibt es nicht so viele Graffiti-Künstlerinnen bzw. Frauen in der Street-Art. Es ist wie in anderen Bereichen, wo Frauen unterrepräsentiert sind.

STANDARD: Ist es für Frauen schwieriger einzusteigen?

Yu-Baba: Zu Beginn ist es wahrscheinlich schwieriger für Frauen, aber danach bin ich mir nicht so sicher. Vielleicht ist es nachts gefährlicher, wenn man illegal irgendwo alleine sprayt. Für mich war der Beginn auf jeden Fall leichter, weil ich meinen Mann hatte (Graffiti-Künstler Key Detail, Anm.), der all dies bereits gemacht hatte. Wir lernten uns in Minsk an der Universität kennen, als wir beide Architektur studierten. Wir arbeiteten viele Jahre als ArchitektInnen. Dann begann er zu sprayen, anfangs vor allem illegal. Er wurde immer aktiver und begann viel zu reisen. Ich war zuerst seine Assistentin, aber es war mir zu langweilig, ihm nur zuzusehen. So begann ich auch zu sprayen.

STANDARD: Auch illegal?

Yu-Baba: Nein, ich habe nie illegal gesprayt.

STANDARD: Warum nicht? Das ist eher ungewöhnlich in der Graffiti-Szene, oder?

Yu-Baba: In Weißrussland ist es sehr sehr streng, was das betrifft. Ich wollte nichts riskieren. Denn ich mag es, entspannt zu arbeiten, und das ginge anders nicht. Ich mag es auch nicht, nachts zu malen. Dann sieht man nicht gut, und die Details sind verschwommen.

Viele Graffiti-KünstlerInnen meinen, dass die Illegalität ein wichtiges Element dieser Kunst ist. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich darüber aufregen und sagen, wenn sie Kunst sehen wollen, gehen sie ins Museum und wollen es nicht auf ihren täglichen Wegen "aufgezwungen" bekommen.

Ja, für mich ist es eine Medaille mit zwei Seiten. Zum einen bin ich Architektin. Ich bin viel in Europa und den USA herumgereist, und ich finde es schade, wenn Graffiti zum Beispiel auf alten, historischen Gebäuden oder auf nationales Kulturgut gesprayt werden. Das mag ich gar nicht. Ich mag es nicht, wenn KünstlerInnen keinen Respekt vor der Geschichte haben. Auf der anderen Seite mag ich aber das Spontane an dieser Kunst. Ich bin bei dieser Frage etwas gespalten und habe darauf keine eindeutige Antwort.

STANDARD: Wie leicht ist es, irgendwo legal sprayen zu können?

Yu-Baba: In Europa und auch in den USA sind Graffiti sehr populär geworden. Und ich liebe es, dass es in Europa nicht so schwierig ist, Wände zu bekommen. Ich glaube, in Europa sind die Menschen nun schon bereit für diese Art von Kunst. Viele interessieren sich mittlerweile dafür, sogar ältere Menschen. Es ist toll für alle KünstlerInnen, dass wir nun die Möglichkeit haben, unsere Arbeit zu machen, und dass diese auch wertgeschätzt wird. Vor allem in Deutschland gibt es sehr viele Events und Festivals, die das unterstützen.

STANDARD: Gibt es eine Graffiti-Szene in Weißrussland?

Yu-Baba: In unserem Land ist das sehr schwierig. Es gibt sehr strikte Gesetze.

STANDARD: Was wären die Strafen für illegales Sprayen?

Yu-Baba: Es wäre definitiv ein Problem. Man müsste eine hohe Geldstrafe zahlen, aber ich weiß nicht genau, wie viel. Die Menschen in Weißrussland schätzen diese Kunst momentan nicht sehr. Und vor allem: Jedes Gebäude gehört dem Staat. Wir haben keine privaten Eigentümer. Wenn man also auf einer Wand sprayen will, müsste man zu verschiedenen Behörden gehen, die Skizzen vorzeigen, damit sie genehmigt werden. Aber es gibt schon ein paar Veranstaltungen und Festivals, die nun langsam im Entstehen sind.

STANDARD: Sie malen meist Frauen. Auch hier in Wien haben Sie gemeinsam mit Ihrem Partner im Karl-Farkas-Park wieder das Gesicht einer Frau und einen Hund auf der Wand verewigt. Warum?

Yu-Baba: Normalerweise arbeiten mein Mann und ich getrennt, also auf separaten Wänden und mit verschiedenen Motiven. Das bevorzuge ich, aber dieses Mal hat es sich beim Festival ergeben, dass wir gemeinsam gemalt haben. Für mich ist es sehr angenehm, Schönheit zu malen.

STANDARD: Schönheit spiegelt sich für Sie in den Frauengesichtern wider?

Yu-Baba: Ja, absolut. Aber vielleicht empfinde das nur ich so. Manchmal sehe ich faszinierende Frauen auf der Straße, und dann mache ich Skizzen von ihnen. Ich male auch oft Hunde dazu, weil all meine Heldinnen immer Hunde dabeihatten.

STANDARD: Können Sie von der Graffiti-Kunst leben?

Yu-Baba: Teilweise. Wir leben derzeit in New York, dort gibt es viele Jobs im Kunstbereich. Wir verkaufen auch Gemälde bei Ausstellungen, das ist ein zusätzliches Einkommen für uns. Unser Ziel war es, mit und von Kunst zu leben, und ich denke, dass dies nun geschafft ist. Wenn du stark bist und weißt, was du willst, glaube ich, dass jede/r tun kann, was er/sie möchte. (Milena Österreicher, 21.8.2016)