Noch ist offen, was der Brexit für die Frauen Großbritanniens bedeutet.

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Mit Theresa May steht zum zweiten Mal nach Margaret Thatcher eine Frau an der britischen Regierungsspitze. Die Tory-Vorsitzende wird Großbritannien als Premierministerin durch turbulente Zeiten nach dem Austrittsreferendum führen müssen. Doch was hat die EU den Frauen in Großbritannien bis dato gebracht?

Für Arbeitsrechte, gegen Gewalt

"Die EU hat zu unseren Gesetzen für gleiche Entlohnung und zum Schutz von TeilzeitarbeiterInnen und Müttern beigetragen. Großbritannien hätte solche Regelungen oft nicht alleine umgesetzt", sagt Megan Stodel, Redakteurin des feministischen britischen Magazins "The F-Word". Der britische Gewerkschaftsbund TUC (Trade Union Congress) warnte bereits im Mai vor den Folgen eines Brexit und verwies auf die arbeitsrechtlichen Verbesserungen, die für Arbeitnehmerinnen durch die EU zustande gekommen seien.

Dazu zählt gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Weiters wurden die Rechte von Menschen in Teilzeitbeschäftigung an jene der VollzeitarbeitnehmerInnen angeglichen. TeilzeitarbeitnehmerInnen – in Großbritannien mehrheitlich Frauen – genießen mittlerweile gleichen Zugang zu Krankengeld, Urlaub und Mutterschutz.

Schwanger ist nicht krank

In Großbritannien war es zudem lange möglich, schwangere Frauen aus denselben Gründen zu entlassen wie einen Mann, der aus medizinischen Gründen arbeitsunfähig ist. In der EU-Richtlinie über Gleichbehandlung von Männern und Frauen hingegen ist festgehalten, dass die Entlassung einer Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Schwangerschaft eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt und nicht mit einem krankhaften Zustand vergleichbar ist.

Die EU hat nicht nur auf gesetzlicher Ebene direkten Einfluss auf die Frauenpolitik ihrer Mitgliedsstaaten. Auch bei Projekten, die direkt oder indirekt Frauen fördern, spielen europäische Institutionen eine Rolle. Das sogenannte Daphne-Programm ist seit 2014 im neuen Programm "Grundrechte und Unionsbürgerschaft" integriert. Es finanziert mehr als 750 Projekte EU-weit, die sich gegen Gewalt an Kindern, Jugendlichen und Frauen engagieren. Zudem bieten Einrichtungen wie das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen zuverlässige Datenquellen in Sachen Gleichstellung.

Gegen "Tampon-Steuer" und Abgaben

EU-GegnerInnen beklagen die hohen finanziellen Abgaben an Brüssel. Sie wären im nationalen Gesundheitssystem besser aufgehoben. Mehr Geld für Krankenhäuser und Geburtskliniken käme Frauen direkt zugute. AnhängerInnen des Brexit-Lagers prangerten Regelungen wie die "sexistische Tampon-Steuer" an. Eine EU-Richtlinie schrieb einen Mehrwertsteuersatz von mindestens fünf Prozent auf Hygieneartikel vor. Rasierer waren ausgenommen, Tampons hingegen nicht. Bei einem EU-Gipfel Ende März setzte sich Großbritannien mit seiner Forderung durch, den Mitgliedsstaaten die Abschaffung der Hygieneartikel-Steuer zu gewähren.

Aufseiten der Brexit-BefürworterInnen formierten sich Frauengruppen wie Women for Britain und Women for Brexit, die sich vor allem aus Politikerinnen der UK Independence Party (Ukip) zusammensetzten. Sie forderten ein Ende der offenen Grenzen und schlugen vor, das Geld, das für ImmigrantInnen verwendet wird, in mehr Schulplätze zu investieren.

It's a men's world

Boris Johnson, Michael Gove, David Cameron, Nigel Farage – im Referendumswahlkampf dominierten Männer das Geschehen. "Es waren fast nur Männer als ExpertInnen und SprecherInnen zu Diskussionen geladen. Kaum jemand hat Frauenrechte und Gleichberechtigung angesprochen", sagt Megan Stodel. "Es wurde über wichtige Verordnungen gesprochen, als ob sie unnötiger Papierkram wären, ohne zu analysieren, was die Bestimmungen eigentlich bewirken."

Kritik an May

Eine Frau an der Spitze sei noch lange keine Garantie für den Schutz und die Stärkung der Frauenrechte im Land, sagt Stodel. "Theresa May hatte bis jetzt keine Erfolgsbilanz, was die Rechte von Homosexuellen anbelangt. Vorgeworfen wird ihr auch ihre Haltung zum Internierungslager Yarl's Wood." In dem Abschiebezentrum sind an die 400 Frauen untergebracht. Fälle sexueller Belästigung und Übergriffe des Wachpersonals auf Migrantinnen gelangten an die Öffentlichkeit. Trotzdem verlängerte May als Innenministerin den Vertrag mit der privaten Betreiberfirma Serco. LGBT-Menschen wurden bei Asylanhörungen oftmals erniedrigende Fragen zu ihrem Sexleben gestellt.

"Ich bin sehr besorgt", schließt Stodel das Gespräch über die möglichen Konsequenzen des britischen EU-Austritts für Frauen. Um die Brexit-Frauengruppen ist es nach dem Referendumsentscheid still geworden. (Milena Österreicher, 14.7.2016)