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Zwei Frauen aus Afghanistan umarmen sich nach ihrer Ankunft auf der griechischen Insel Lesbos. Für Frauen sind die Strapazen der Flucht oft härter.

Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis

Zainab lebt heute mit ihrem Mann und ihrer sechsjährigen Tochter in einer kleinen Zweizimmerwohnung in Wien. Hier lernt sie Deutsch und holt ihren Schulabschluss nach. Wenn die 20-Jährige vom ersten Schultag ihrer Tochter spricht, kommen ihr die Tränen. Sie selbst hat in ihrer Heimat Afghanistan nicht die Schule besuchen können, keinen Hobbys nachgehen dürfen und musste im Alter von 13 Jahren heiraten.

Vor zwei Jahren trat Zainab mit ihrem damals vierjährigen Kind und ihrem Mann die Flucht an. "Mein Onkel wollte, dass ich seinen Sohn heirate. Er war wütend, als es anders kam", erzählt sie. Er habe ihre Familie bedroht, ihren Mann geschlagen.

Die Flucht plante ihr Schwiegervater: Schlepper brachten sie in einem Lkw in die Türkei, mit einem kleinen Boot fuhren sie über das Mittelmeer nach Griechenland, wo sie und ihre Tochter mit falschen Papieren ins Flugzeug nach Wien stiegen. Der Mann sollte nachkommen. In Traiskirchen stellte Zainab einen Asylantrag – wie 6767 Frauen im Jahr 2014. In dem Jahr kamen knapp ein Viertel der Asylanträge von Frauen.

Anderes Fluchtverhalten

Laut Bericht des Innenministeriums wurden heuer 37.046 Asylanträge in Österreich gestellt. Nur 21,5 Prozent davon kamen von weiblichen Flüchtlingen. "Flucht und Vertreibung machen vor Frauen genauso wenig halt wie vor Männern. Oft ist das Fluchtverhalten jedoch ein anderes", sagt Ruth Schöffl von der UNHCR. Das Geschlechterverhältnis in Lagern, die in Nachbarländern von Krisenregionen liegen, ist ausgeglichen.

In jenen im Bekaa-Tal im an Syrien angrenzenden Libanon etwa leben derzeit mit einem Anteil von 54,7 Prozent sogar mehr Frauen als Männer. "Wenn sich die Krise globalisiert, gehen aber oft nur die Männer nach Europa weiter."

Gewissenhafte Entscheidung

Die Menschen würden in ihren Heimatländern sehr genau überlegen, wer die Flucht nach Europa wagt, sagt Schöffl. Das Risiko würde für Frauen als "zu hoch" eingeschätzt. "Oft gehen Männer, die Familie haben, vor", sagt Schöffl. Sie versuchen später, Frau und Kinder auf legalem Weg nachzuholen.

"Flucht passiert im Verborgenen auf irregulären Wegen. Man ist Schleppern ausgeliefert." Für Frauen würden sich daher spezielle Ausbeutungsprobleme ergeben. "Sexuelle Gewalt und Gewalt gegen Frauen sind sehr verbreitet", sagt sie.

Weibliche Flüchtlinge würden vor Ausgrenzung, struktureller Diskriminierung und Ausbeutung fliehen. "Auf der Flucht passiert dann wieder dasselbe", sagt Evelyn Probst, Vorstandsmitglied der Beratungsorganisation Lefö. In den Fluchtgruppen würde immer wieder Gewalt auf sie ausgeübt, weil sich ihr Status als Frau nicht ändere. "Es fliehen auch Männer aus diesen dominanten Strukturen, aber bei weitem nicht alle."

Größere Strapazen

Da Frauen oft mit kleinen Kindern reisen würden, sei die Flucht mit größeren Strapazen verbunden, sagt Schöffl. "Unterschätzt wird auch, dass Frauen in vielen Ländern nicht schwimmen können", sagt sie. Da die Fluchtrouten über das Mittelmeer verlaufen, würde die Gefahr zu ertrinken für Frauen noch höher sein. "In Afghanistan dürfen Frauen nicht baden, meine Tochter hat sich auf dem Boot an mich geklammert", sagt Zainab. In Traiskirchen habe ihre Tochter oft Albträume vom Wasser gehabt.

"Wenn Bomben auf Häuser fallen, ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem", sagt Schöffl. Es gebe aber geschlechtsspezifische Gründe zu fliehen. Frauen würden oft vor Zwangsheirat oder Gewalt in der Familie fliehen. "In vielen Ländern haben sie keine Chance, aus dieser Situation auszubrechen", sagt Probst. Frauen würden selbst dafür verantwortlich gemacht und hätten keine Netzwerke, an die sie sich wenden könnten.

Zudem würde frauenspezifische Gewalt oft als "Kampfmittel" eingesetzt werden, sagt Probst: "Wir kennen das aus dem Bosnienkrieg, als Vergewaltigung von Frauen als Kriegsstrategie eingesetzt wurde. Das passiert wieder."

Die finale Entscheidung zu fliehen, würden Frauen oft wegen ihrer Töchter treffen, so Probst. Um ihnen Optionen zu geben, die sie nicht hatten. "Meine Tochter will Ärztin werden", sagt Zainab. (Oona Kroisleitner, 19.9.2015)