Der 17-jährige Afghane Mahdi holt mit anderen Flüchtlingskindern über das Projekt Prosa seinen Schulabschluss nach. Das Projekt wurde Anfang Mai mit dem Preis für soziales Engagement, der Sozialmarie, ausgezeichnet.

Foto: Heribert Corn

Mahdi sitzt in der vordersten Reihe eines Klassenzimmers in der Wiener Rahlgasse. Neben ihm ist sein bester Freund Aliakbar. Seit September sind die beiden Sitznachbarn. Mahdi ist 17 Jahre alt. Vergangenen Sommer flüchtete er von Afghanistan nach Österreich. Über das Projekt "Prosa: Schule für alle" lernt er für seinen Pflichtschulabschluss.

Prosa richtet sich an junge Flüchtlinge, deren Bildungsweg von bestehenden Angeboten nicht abgedeckt wird. "Die Schwächsten unter uns haben kaum Zugang zu Bildung", sagt Azra Bajrica, Mitgründerin von Prosa. Bajrica ist 1992 selbst vor dem Jugoslawienkrieg geflüchtet. Mit ihrer Familie kam sie aus Bosnien nach Österreich: "Wir hatten Glück und wurden schnell von einem sozialen Netz älterer Frauen aufgefangen." Diese Erfahrung wollte Bajrica an andere Flüchtlinge weitergeben: "Wenn man Hilfe hat, dann können große Erfolgsgeschichten entstehen."

Gestartet hat Prosa mit sechs Jugendlichen von der Grundversorgungsstelle Klammgruberhof in Niederösterreich. "Sie hatten ein Budget von 150 Euro, damit war es unmöglich, dass sie Bildungseinrichtungen besuchen", sagt Projektleiter Sina Farahmandnia. Die Jugendlichen wollten eine "formale Anerkennung" und raus aus der "Isolation". Um das zu erreichen, bekamen sie über Prosa Öffi-Tickets und die Chance eines Zeugnisses. "Das sind junge Menschen, die sich gerade ihr Leben aufbauen", sagt Bajrica. Mit dem regelmäßigen Unterricht sollen sie Struktur in ihren Alltag bekommen.

Preis für soziales Engagement

Für ihr Engagement mit jungen Flüchtlingen wurde Prosa mit der Sozialmarie ausgezeichnet, einem Preis für soziale Innovation in Europa. Die Sozialmarie würdigt seit 2005 jährlich 15 Projekte im Bereich soziales Engagement. "Der Zugang für Flüchtlinge zur Pflichtschulbildung ist theoretisch möglich, wird aber faktisch erschwert, wenn nicht verunmöglicht", heißt es in einer Erklärung der Jury. Für die Politik scheine diese Zielgruppe förderunwürdig.

An der grünen Tafel im Klassenzimmer steht mit Kreide "letzter Schultag" geschrieben. "Warum ist heute der letzte Tag?", fragt Mahdi den Lehrer, den die Jugendlichen Schorsch nennen. Die achten Klassen bereiten sich jetzt auf die Matura vor und haben keinen regulären Unterricht mehr, erklärt ihnen der Lehrer.

Studium geplant

Die Reifeprüfung ist für die meisten von ihnen ein kaum vorstellbares Ziel. Mahdi möchte nach dem Pflichtschulabschluss als Externist weiter die Schule besuchen. Danach will er ein Studium beginnen: "Mein Bruder lebt in Leoben, er studiert an der Montan-Universität etwas zu Erdöl." Das Bachelorstudium Petroleum Engineering hat es dem Jungen angetan. "Es ist ein wichtiger Rohstoff, ich glaube, es ist interessant, das zu erforschen", sagt Mahdi.

Vorerst heißt es aber Deutsch lernen, Adjektive sind an der Reihe. "Das hat nicht so gut funktioniert letztes Mal", sagt ihr Lehrer, der immer ein Persischwörterbuch mit in die Klasse nimmt. "Er ist gut", sagt Mahdi. "Er macht einen Persischkurs, um uns Dinge auch in unserer Muttersprache zu erklären." Wenn Mahdi nicht in der Schule sitzt, singt er. Mit seinem Freund und Sitznachbarn ist er seit einigen Monaten bei den Wiener Sängerknaben. (Oona Kroisleitner, DER STANDARD, 4.5.2015)