Foto: Lisi Specht

Ronald F. Schwarzer ist nicht nur Antiquitäten- und Juwelenhändler, sondern auch Fan des Ancien Régime. In seinem Haus an der Wien frönt er der Barockmusik und 20.000 Büchern. Wojciech Czaja durfte eintreten.

"Ich rauche, ich trinke Schilcher, und ich verbringe die Zeit, wenn geht, am liebsten mit meiner Gnädigsten beziehungsweise künftigen dritten Ex-Ehefrau. Das ist mein, wenn Sie so wollen, manifest gewordenes Bekenntnis gegen die Lustlosigkeit und Lustfeindlichkeit, die in so vielen Haushalten in Österreich bedauerlicherweise vorherrschend ist. Hier nicht!

"Und unsere Feigen im Garten reifen jedes Jahr zu des Kaisers Geburtstag." Ronald F. Schwarzer und seine "Gnädigste" Barbara Seidel. (Bildansicht durch Klick vergrößern)
Foto: Lisi Specht

Ein weiterer wichtiger Faktor meines Wohngenusses ist das Lesen von Büchern. Und das mache ich mit Vorliebe hier in dieser Bibliothek, die ich vor zehn Jahren in Auftrag gegeben habe, denn ich bevorzuge es, die Räume zweckgebunden zu nutzen, also so, wie sie auch gedacht und konzipiert waren - ein Klo zum Scheißen, ein Bad zum Waschen, eine Küche zum Kochen, eine Bibliothek zum Lesen. Frau Seidel, meine Gnädigste, ihres Zeichens Bundesdeutsche, interpretiert die Zweckdienlichkeit gerne etwas freier und nutzt den Raum hier auch zum Arbeiten mit dem Laptop. Wiewohl, sie ist Lektorin, insofern ist die Zweckgebundenheit gegeben.

Es ist ein schöner Raum, aber dennoch kein Luxus. Ich sage immer: Dies ist eine arme, bescheidene Landprälatur, denn beim Holz handelt es sich um reine Lasurtechnik, und nicht, wie es vielleicht den Eindruck erwecken mag, um Holzintarsien. Das wäre mir gänzlich unleistbar. Insgesamt haben wir hier an die 20.000 Bücher, wobei ich höchsten Wert darauf lege, dass hier im Hauptraum ausschließlich Drucke bis 1918 stehen. Die restlichen Werke aus der Ära danach, als die Alte Welt zu Ende war, sind hinten im Gang untergebracht. Da befindet sich übrigens auch eine Geheimtüre, dessen ursprünglich gedachter Sinn jedoch nicht für die Augen des Publikums einer Tageszeitung gedacht ist.

Der Straßentrakt hier stammt aus der Zeit nach der zweiten Türkenbelagerung, also um 1690. Das ist der letzte Rest vom Gartenpalais des Grafen Starhemberg, wenige Schritte von der Wien entfernt. 1843 wurde das Haus umgebaut und aufgestockt, wobei das Erdgeschoß mit der Sala Terrena noch Originalbestand ist. Da veranstalten wir regelmäßig Barockkonzerte bei Kerzenbeleuchtung und Kaminfeuer. Wunderschöne Gewölbe! Da spürt man noch den Geist des 17. Jahrhunderts.

Ich fühle mich hier wohl. Das ist mein Wohn- und Lebensstil. Manche sagen, es handle sich dabei um eine historische, altmodische Bau- und Lebensweise, aber ich wüsste gar nicht, wie man so etwas anders machen könnte. Wobei ich gestehen muss, dass ich auch moderne Errungenschaften wie etwa Mobiltelefon, Zwischennetz und Kraftwagen benutze. Es gibt auch moderne Wohnungen, die ich gut finde. Keine Frage. Ich mag es auch, alte Barockmöbel mit so manchem Ikea-Regal zu kombinieren. Was ich aber überhaupt nicht aushalte, das sind billige Pappendeckelhäuser mit Schuhkartonkammerln. Jedes Mal, wenn ich in so einem Haus der Neuzeit zu Besuch bin, denke ich mir, dass man wieder das öffentliche Auspeitschen einführen müsste wie zu Zeiten des Ancien Régime. Die mediokren Architekten und Wohnbauträger dieser Menschenintensivhaltungsblöcke würden es wahrlich verdienen!

Es bereitet mir Missvergnügen zu sehen, dass Schönheit in diesem kalten, kapitalistischen System längst keine Kategorie mehr ist. Alles wird den Kosten und der Zweckmäßigkeit unterworfen. Sehr schade. Und so weiß ich dieses Kleinod hier in der Wieden durchaus zu schätzen. Man merkt bisweilen gar nicht, dass man hier mitten in der Stadt weilt. Wir haben Brunnengeplätscher und Vogelgezwitscher, und im Garten wachsen Feigen, die jedes Jahr zu des Kaisers Geburtstag reif sind. Sehr bukolisch!" (DER STANDARD, 18.10.2014)