Preisträger Alina Anghel und Andryi Shevchenko

Foto: Reporter ohne Grenzen
Die Preisträger des von Reporter ohne Grenzen Österreich vergebenen "Press Freedom Award 2004 - Signal für Europa" sind am Montag in Wien bekannt gegeben worden. Ausgeschrieben war die Auszeichnung diesmal für Journalisten aus osteuropäischen Staaten, die nach der EU-Erweiterung im vergangenen Jahr zu neuen Nachbarländern der Union geworden sind. Den insgesamt mit 15.000 Euro dotierten Preis erhalten die rumänische Reporterin Anca Paduraru für eine Artikelserie über die Zustände in psychiatrischen Krankenanstalten, sowie ihre Kollegin Alina Anghel aus Moldawien für ihre Berichterstattung über die Korruption in ihrer Heimat. Der Ukrainer Andriy Shevchenko wird für eine TV-Dokumentation über Proteste gegen den damaligen Präsidenten Leonid Kutschma im Jahr 2001 gewürdigt.

"Wie Elefanten im Porzellanladen"

Die Südosteuropa-Expertin Christine von Kohl sah als Jury-Mitglied bei der Pressekonferenz - was die Situation der Medien betrifft - Gemeinsamkeiten zwischen den "kommunistisch gewesenen Länder", aus denen die Preisträger kommen: Zum einen seien sich die "Macht-habenden Kreise" dort von der Notwendigkeit von Kritik im politisch-öffentlichen Raum nicht im Klaren; zum anderen hätten die Menschen auf Grund der "wirtschaftlichen Misere" oft kein Geld, um Zeitungen zu kaufen, und das Fernsehen sei auf Unterhaltung abgestellt und nicht auf Informationen aus dem Bereich der Politik. Hinzu komme, dass westliche Medienkonzerne versuchten, auf den Märkten der neuen EU-Nachbarstaaten mitzumischen und dabei häufig "wie die bekannten Elefanten im Porzellanladen" aufträten.

"Erster Versuch, das Regime zu stürzen"

Sevchenko sagte, der Preis sei nicht nur eine Auszeichnung für ihn selbst, sondern auch für all jene, die bei den "jüngsten Veränderungen" in der Ukraine, der so genannten orangefarbenen Revolution und dem Machtwechsel von einer pro-russischen zu einer westlich-orientierten Staatsführung, eine Rolle gespielt haben. Seine TV-Dokumentation "The Faces of Protest" über die Hintergründe der Demonstrationen gegen Ex-Präsident Kutschma nach dem rätselhaften Todesfall eines regierungskritischen Journalisten nannte er "den ersten Versuch, dieses Regime zu stürzen". Die Arbeit daran habe sich wegen Zensurmaßnahmen über Monate hingezogen, fügte der 28-jährige Nachrichtenchef des Senders "5th Channel" hinzu.

Körperliche Gewalt

Alina Anghel habe in ihren in der Wochenzeitung "Timpul" erschienenen Artikeln das Fehlverhalten der regierenden Elite Moldawiens rund um Präsident Wladimir Woronin und die Auswirkungen von Korruption und Misswirtschaft auf das tägliche Leben der Bürger auf schonungslose Weise aufgedeckt, zollt Jury-Mitglied Albert Rohan, früher Generalsekretär des Außenministeriums, der 29-jährigen Anerkennung. Die auf investigativen Journalismus spezialisierte junge Frau musste wegen ihrer Medienberichterstattung körperliche Gewalt erleiden: Im Juni des Vorjahres wurde sie von zwei Unbekannten nahe ihrer Wohnung mit Baseball-Schlägern zusammengeschlagen, nachdem sie zuvor monatelang bedroht worden war.

Zensur

Die von der OMV gesponserten Preise werden am Montagabend im Haus der Musik übergeben. Die rumänische Preisträgerin Anca Paduraru ist erkrankt und konnte daher nicht nach Wien kommen. Die Jury erkannte ihr die Auszeichnung im Bereich Online-Journalismus für ihre Artikel über psychiatrische Anstalten zu. Diese erschienen mit dem Serien-Titel "Sehnsucht nach mehr als nur Pillen" im tschechischen Magazin "Transitions" auf der Webseite tol.cz unter dem Pseudonym Dumitru Balaci. Paduraru sei mittlerweile aufgefordert worden, in acht weiteren Staaten Alternativen zur staatlichen Versorgung psychisch Kranker auszuarbeiten, so Rohan.

Aus Bulgarien und aus Weißrussland, wo der heuer zum dritten Mal vergebene Preis ebenfalls ausgeschrieben war, hätte es keine Einreichungen gegeben, sagte das Jury-Mitglied weiter. In Weißrussland, das als "letzte Diktatur Europas" gilt, haben die Zensur und das Verbot von Medien nach Erkenntnissen von Reporter ohne Grenzen im Vorjahr nochmals stark zugenommen. Warum es keine Beiträge aus Bulgarien, das 2007 gemeinsam mit Rumänien EU-Mitglied werden soll, gegeben hat, ließ Rohan offen. (APA)