Die Leiche des als Wilderer verdächtigten 55-jährigen Alois H., der am Dienstag drei Polizisten und einen Sanitäter getötet hat, ist in der Nacht auf Mittwoch im Keller seines Anwesens in Niederösterreich aufgefunden worden.
Nach sechsstündiger Suche war es den Beamten gelungen, ein Geheimversteck im Keller des Bauernhofs zu finden. In einem Gang ließ sich eine Wand wegdrücken, wodurch die Beamten in den verborgenen Raum gelangten, berichtete ein Polizeisprecher. Dort fanden sie die verkohlte Leiche.
Feuer gelegt
"Die Einsatzkräfte haben die Tür geöffnet und wollten in den Raum eindringen, im Raum selbst hat es aber gebrannt", hieß es bei der spätabendlichen Pressekonferenz in Melk. Der zuströmende Sauerstoff hatte die Flammen zusätzlich angefacht. Als das Feuer gelöscht war, "konnte eine verbrannte männliche Leiche entdeckt werden".
Panzer und über 300 Polizisten
Gedeckt durch zwei Schützen- und einen Pionierpanzer waren 135 Cobra-Beamte und 200 weitere Exekutivkräfte am Abend zum Anwesen des Mannes vorzudringen. Der für Österreich höchst ungewöhnliche Einsatz von Panzerfahrzeugen war notwendig, da der Mann auch Munition verwendete, die schusssichere Westen durchdringen könnte. In den Abendstunden wurde die Stromversorgung des Anwesens unterbrochen.
Wegen Wilderei gesucht
Der Polizeieinsatz hatte bereits um Mitternacht des Vortages begonnen. Der wegen des Verdachts der Wilderei gesuchte H. wurde von zwei Beamten in der Nähe von Annaberg im Bezirk Lilienfeld angehalten. Daraufhin durchbrach der Unternehmer, der als Jäger ein legales Waffenarsenal besessen haben soll, die Straßensperre und eröffnete sofort das Feuer. Ein Polizist wurde getroffen, er verstarb zwei Stunden später im Krankenhaus.
Der 70-jährige Fahrer eines herbeigerufenen Rettungswagens wurde 40 Minuten später getroffen, H. soll aus einem Hinterhalt geschossen haben. Geborgen werden konnte der schwer getroffene Mann vorerst nicht: Die Polizisten mussten sich vor dem Heckenschützen zurückziehen. Ein weiterer Cobra-Beamter wurde im Kugelhagel schwer verletzt, der Sanitäter starb.
Cobra-Beamter getötet
Weil sein Auto nicht mehr fahrtüchtig war, flüchtete der Verdächtige einige Kilometer zu Fuß. Dabei begegnete er einem zivilen Streifenfahrzeug – gelenkt von einem in der Zwischenzeit alarmierten Cobra-Beamten. Diesen tötete er sofort, anschließend flüchtete er im Polizeiauto mit einem weiteren Beamten etwa 70 Kilometer weiter zu seinem Anwesen in Großpriel nahe Melk. Dort verschanzte sich der Mann, während die Polizisten den Bauernhof umstellten.
Panzereinsatz
Am frühen Nachmittag trafen zwei vom Innenministerium angeforderte Schützenpanzer des Typs Saurer sowie ein Bergepanzer ein. Mit deren Hilfe gelang es, zum Fluchtauto vorzudringen. In dem im Schuppen abgestellten Einsatzauto entdeckten die Beamten die Leiche des zweiten Insassen des Zivilfahrzeugs. Er war das vierte Todesopfer des Amokläufers. Ob Alois H. den Polizisten schon beim Feuergefecht in der Nacht getötet, oder ihn als Geisel zu seinem Haus mitgenommen hat, konnte Polizeisprecher Roland Scherscher nicht sagen.
Kein Kontakt
Versuche, mit dem Flüchtigen Kontakt aufzunehmen, schlugen fehl. Selbst herbeigerufene Angehörige konnten keine Verbindung zu dem Mann herstellen. Nach Medienberichten rief er aber einen Freund an und gestand die tödlichen Schüsse, er habe einen Bauchschuss erlitten und seinen Jagdhund "Burgi" habe er bereits getötet. Einschlägig amtsbekannt war H. nicht. "Er war polizeilich nicht auffällig", sagte Scherscher.
Jagdschein
Auch Anrainer, die von der Arbeit nach Hause kamen, mussten ihren Wagen vor der Straßensperre zwischen Rosenfeld und Melk abstellen. Nachbar Rene Derfler kann sich die Tat nicht erklären. "Er ist oft mit seinem Lkw vorbeigefahren und hat freundlich gegrüßt", sagte der 31-Jährige dem STANDARD. Laut Derfler soll der mutmaßliche Wilderer auch einen Jagdschein besitzen. Die Polizei bestätigt das.
Nach Angaben der Polizei gab der Verdächtige auch am Abend noch Schüsse ab. Das letzte Lebenszeichen des Verdächtigen habe es gegen 17.30 Uhr gegeben, als ein einzelner Schuss aus dem Bauernhof abgegeben worden sei.
Der Mann soll mehrere Jagdwaffen besitzen. In dem Polizeiauto, in dem er flüchtete, sollen sich zudem auch zwei Maschinenpistolen der Polizei befunden haben.
Information als Gefahr
Die Polizei war stundenlang sehr zurückhaltend mit den Informationen zu den Vorfällen gewesen – da zunächst unklar war, ob der Mann weitere Geiseln hatte. Die Medien wurden um Zurückhaltung ersucht, was teilweise ignoriert wurde. Die Beamten befürchten, dass Geiselnehmer über Radio, Fernsehen oder Internet Informationen über die Absichten der Sicherheitskräfte erhalten und sich danach verhalten könnten. Die Befürchtungen, dass der Mann weitere Geiseln in seiner Gewalt haben könnte, wurden am späteren Nachmittag entkräftet. "Wir gehen davon aus, dass er alleine ist", hieß es vonseiten der Polizei. (APA/red/mcmt/David Krutzler, DER STANDARD, 18.9.2013)