Philipp Roth (Bild) betreibt gemeinsam mit Jens Wiese den einflussreichsten Branchenblog für das Themenfeld Facebook Marketing & Werbung im deutschen Sprachraum.

Foto: allfacebook.de

Knapp 44.000 Facebook-Abonnenten lassen sich täglich auf dem Branchenblog allfacebook.de von Chefredakteur Philipp Roth über die neuesten Entwicklungen der einflussreichen Social-Media-Plattform informieren. Mit derStandard.at sprach der Münchner über Lovebrands, Marketing-Scharlatane und die Vorbereitungen zum lokalen Marketingboom.

derStandard.at: Wie unabhängig ist allfacebook.de?

Roth: Bei unserem früheren Blog facebookmarketing.de waren Jens Wiese und ich die Besitzer und allein deshalb komplett unabhängig. Inzwischen wurden wir von WebMediaBrands übernommen und in allfacebook.de umbenannt. Jens und ich haben als Chefredakteure weiterhin komplett freie Hand. Uns macht aus, dass wir zwar kritisch über Facebook nachdenken, aber dem Medium gegenüber sehr aufgeschlossen sind.

derStandard.at: Bekommen Sie Ihre Informationen direkt von Facebook?

Roth: Informationen über neue Features bekommen wir zumeist über unsere Nutzer, weil Facebook ja immer vorab testet. Wenn es um neue Features für Unternehmen geht, ist der Prozess wesentlich verschlossener und die Informationen schwerer zu bekommen, aber auch das klappt ganz gut.

derStandard.at: Kann man die Sinnhaftigkeit von Facebook-Marketing auf Branchen eingrenzen?

Roth: Jein. Klassische Lovebrands haben es auf Facebook einfacher, denn Coca-Cola, BMW oder Lufthansa mag man einfach schneller als andere. Die Marke und die Identifikation mit dieser spielen eine große Rolle. Ein gutes Gegenbeispiel sind Pharmakonzerne. Hier muss man mehr in Vorgehen und Konzept investieren, weil die Nutzer anders auf die Marke reagieren. Zudem gibt es in diesem Bereich andere gesetzliche Einschränkungen. Ich würde aber nie sagen, dass ein Unternehmen kein Potenzial in Facebook hat, zumal Facebook gerne jedes Unternehmen in irgendeiner Form abbilden würde.

derStandard.at: Wem kann man sein Facebook-Marketing anvertrauen?

Roth: Inzwischen sehr vielen. Wenn man aber als Unternehmen auf Facebook aktiv wird, nur um dabei zu sein, kann man auch an Dampfplauderer geraten. Ein vernünftiges Portfolio und gute strategische Beratung machen eine vertrauenswürdige Agentur aus. Viele Unternehmen vertrauen, ohne konkrete Ziele zu verfolgen, zu sehr auf bunte Bilder und lustige Ideen, aber genau hier muss von der Agentur guter Input kommen.

derStandard.at: Was können Ziele sein?

Roth: Die Fanzahl ist das, was man präsentieren will, aber letztlich doch nicht so wichtig ist. Unternehmensspezifische Ziele muss man individuell definieren: Reichweite, mehr Visits, bessere Kundenkommunikation, größere Brand-Awareness, schnelleren Support oder auch mehr Sichtbarkeit für einzelne Produkte. Im besten Fall kann man als Unternehmen den Erfolg von Facebook ganz klar anhand von Unternehmenskennzahlen messen.

derStandard.at: Wie misst man Erfolge auf Facebook?

Roth: Wenn man es rein technisch betrachtet, gibt es zwei Arten von Tools. Zum einen die Facebook-Statistiken der Seiten, Anzeigen, Apps und der eigenen Homepage. Zum anderen gibt es externe Tools. Besonders hier sehe ich noch viel Nachholbedarf, da ganz oft nicht getrackt wird, was der Facebook-Besucher eigentlich auf dem eigenen Webauftritt macht. Die Facebook-Statistiken für die eigene Homepage kennt übrigens kaum jemand, dort kann man sehr gut sehen, wie die Nutzer mit Facebook-Elementen auf der eigenen Homepage umgehen bzw. wie hoch die Conversion-Raten sind.

derStandard.at: Wie viel kann ein Facebook-Auftritt kosten?

Roth: Von null bis zu zwei Millionen Euro im Jahr. Das hängt sehr stark von der Größe des Unternehmens ab. Bei großen Unternehmen, die bereits einen großen Teil ihres Customers-Service über Facebook abwickeln, entstehen natürlich Personalkosten. Ebenso schießt ein Budget schnell in die Höhe, wenn Werbebuchungen auf Facebook dazuaddiert werden. Es gibt aber auch schöne Beispiele, wie kleine Unternehmen ihr Geschäftsmodell über Facebook unterstützen und einen Teil ihres Umsatzes damit generieren. Wobei: Ganz kostenlos ist es ja nie, denn man muss immer auch seinen eigenen Aufwand gegenrechnen.

derStandard.at: Wie funktioniert die Anzeigenschaltung auf Facebook?

Roth: Auf Facebook werden Anzeigen zumeist in der rechten Seitenleiste angezeigt. Diese kann jedes Unternehmen selbst über den Anzeigenmanager einstellen. Die Bezahlung erfolgt dabei ähnlich wie bei Google nach einem Auktionssystem. Am besten funktionieren Engagement Ads, die konkrete Interaktionen mit dem Unternehmen auf Facebook bewerben. Wer tiefer in die Materie einsteigt, weiß, dass nicht jeder Fan den eigenen Post auch sehen kann. Laut Facebook nehmen nur 16 Prozent der Fans ein Post auch wahr. Über neue Werbeformate kann ein Unternehmen nun versuchen, die Reichweite der Posts wieder zu erhöhen. Seit Anfang des Jahres gibt es auch Anzeigen, die im Newsfeed angezeigt werden.

derStandard.at: Dieses Feature hat für einige Aufregung gesorgt. Kann man sich als Unternehmen nun in den Newsstream einbuchen?

Roth: Normalerweise wird eine Anzeige in der rechten Leiste angezeigt. Sobald Facebook aber merkt, dass sie gut performt und inhaltlich interessant ist, kann sie auch in den Newsstream geschaltet werden. Es kann sich allerdings nie ein Werber in den Newsstream einkaufen, das entscheidet allein Facebook. Die Beiträge sind durch ein "Sponsored"-Tag gekennzeichnet und erscheinen je nach Anzeigentyp nur in den Newsstreams der Unternehmens-Fans oder bei den eigenen Freunden.

derStandard.at: Aber es können doch auch Anzeigen bei Freunden von Fans auftauchen?

Roth: Natürlich. Die Interaktions-Bewerbung ist einer der zentralen Bestandteile der Werbung auf Facebook. Wenn ich zum Beispiel die Seite von BMW "like", dann erscheint diese Meldung im Newsfeed meiner Freunde. Sie verschwindet allerdings bald wieder, weil neue Nachrichten nachkommen. BMW könnte genau diese Interaktion nun bewerben und Facebook dafür bezahlen, dass sie länger sichtbar bleibt. Das ist einerseits nett verpackt, weil es nur mit Interaktionen funktioniert, die ein Freund freiwillig durchgeführt hat, andererseits ist es schwierig, weil ich als Freund keine Möglichkeit besitze, mich gegen diese Werbung negativ zu äußern.

derStandard.at: Ist eine Facebook-App eine sinnvolle Investition?

Roth: Eine gut gemachte App hat großes Potenzial, wenn sie sich sehr nah am eigenen Business-Modell orientiert. An Beispielen wie Spotify, Instagram oder Pinterest sieht man, welches Potenzial Facebook hier bietet. Allerdings funktioniert so etwas nur für die wenigsten Unternehmen, weshalb man derzeit noch sehr viele Spielereien und Gewinnspiele sieht, was schade ist.

derStandard.at: Die lokalen Marketingchancen werden im Zusammenhang mit Facebook derzeit am höchsten gehandelt.

Roth: Lokale Unternehmen sind so nah am Kunden wie kaum jemand anders. Sie können durch die mobilen Marketing-Möglichkeiten auf Facebook direkt mit dem Kunden kommunizieren, ihn besser verstehen und somit die Kommunikation einfacher verlängern. Ein mobiles Endgerät kann inzwischen fast alles wie ein normaler PC abbilden, bietet aber darüber hinaus noch weitere Features wie GPS-Koordinaten oder eine Kamera. Facebook nutzt diese Funktionen und stellt mit vielen unterschiedlichen Apps eine gute Basis für die Nutzer bereit.

derStandard.at: Die Einkaufstour der letzten Monaten zeigt ja auch den Fokus auf Mobile.

Roth: Von Facebook selbst erwarte ich in diesem Bereich in den nächsten Monaten sehr viel. Es wurden Firmen wie Gowalla gekauft oder Instagram, wirklich viel zu sehen ist allerdings noch nicht. Genauso ist auch das Zahlungssystem - die Facebook Credits - für Facebook-Verhältnisse veraltet. Wir können also gespannt sein. (Tatjana Rauth, derStandard.at, 30.5.2012)