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2001 ist Wikipedia gegen die elitäre Strukturen gedruckter Enzyklopädien angetreten, nun scheint sie selbst davon eingeholt zu werden

Foto: AP/Probst

Die 2001 von Jimmy Wales gegründete Online-Enzyklopädie Wikipedia zählt mit rund 325 Millionen Besuchern im Monat zwar zu den populärsten Seiten des Webs, doch Beobachter sorgen sich um den Fortbestand eines der ehrgeizigsten Projekte des WWW. Immer weniger Freiwillige wollen oder können beim Anlegen und Editieren von Artikel mitmachen.

Feindliche Umgebung

Im ersten Quartal 2009 hätten rund 49.000 Autoren und Autorinnen weniger an der englischsprachiger Wikipedia mitgearbeitet, berichtet das Wall Street Journal. Im Vergleichszeitraum 2008 habe das Portal nur 4.900 Autoren verloren. Wikipedia sei eine feindliche Umgebung geworden, meint der spanische Wissenschaftler Felipe Ortega, der diese Zahlen erhoben hat.

Schärfere Regeln

Als Gründe für den Autorenschwund werden verschiedene Entwicklungen vermutet. Einerseits gebe es immer weniger Themen, über die noch nichts geschrieben worden sei. Andererseits hätten sich die Bedingungen zum Mitmachen in den letzten Jahren verschärft. Spammer, Scherzbolde und politische Untergriffe hätten dafür gesorgt, dass es für neue Wikipedia-Autoren schwerer geworden sei, einen Artikel anzulegen. Gewisse Themen dürfen nur noch von langjährigen Mitarbeitern editiert werden.

Einer von vier Artikeln wird gelöscht

Bei kontroversen Artikeln komme es zu wahren Editier-Kämpfen unter den Autoren. Es gebe aber auch einige Stammautoren, die verdächtige Artikel löschen, bevor sie noch überprüft werden konnten. Und Wales überlegt, dass Artikel in Zukunft von einem ausgewählten Team erst abgesegnet werden müssen, bevor sie online gestellt werden. 2008 sei einer von vier Artikeln von Gelegenheitsautoren gelöscht worden. 2005 sei es noch einer von zehn gewesen. Gleichzeitig wachsen jedoch die Zugriffe weiter stark an.

Qualität nicht Quantität

Für die Wikimedia Foundation und Wales gehe es nicht darum, dass möglichst viele Nutzer an der Wikipedia mitschreiben, sondern, dass die Qualität der Artikel hochgehalten werden müsse. Verschiedene Programme sollen nun dafür sorgen, dass sich mehr hochqualifizierte Autoren beteiligen. Mit der Wikipedia Academy beispielsweise sollen Wissenschaftler dazu gebracht werden, selbst Artikel zu schreiben. Außerdem will man mehr Freiwillige in Märkten wie Indien gewinnen.

Straffere Organisation

Fraglich ist, ob bei strafferen Regeln und autorisierten Autoren-Teams der Gedanke des Crowdsourcings überhaupt noch greift. Denn damit war Wikipedia ursprünglich gestartet, das Wissen vieler User zu nutzen ohne sich dabei an elitäre und hierarchische Strukturen zu halten. Es scheint nun, dass sich die freie Online-Enzyklopädie nun langsam doch wieder auf eben diese Strukturen hinbewegt, gegen die sie ursprünglich angetreten war. (red)