Washington - Für das menschliche Auge sind sie nicht sichtbar. Und auch für die Archäologen aus Georgien und den USA war es ein Zufallsfund, auf den sie bei der mikroskopischen Untersuchung von Lehmproben aus einer Höhle in Georgien stießen.

Neben den gesuchten Pollen zur Datierung entdeckten sie winzige, kaum einen Millimeter lange Flachsfäden, die vor mehr als 34.000 verarbeitet worden waren. Damit haben die Forscher um Ofer Bar-Yosef von der Universität Harvard die bisher ältesten Spuren von Fasern gefunden, wie sie in der Wissenschaftszeitschrift "Science" (Bd. 325, S. 1359) berichten.

Bar-Yosef und Kollegen machten ihre Entdeckung nahe der Ortschaft Dzudzuana in den südlichen Ausläufern des Kaukasus. Die Gegend ist berühmt dafür, dass vor 50.000 Jahren schon die Neandertaler Schutz und Obdach in den zahlreichen Felsüberhängen und Höhlen fanden.

Ausgehend von der Radiokohlenstoff-Datierung von Kohle- und Knochenstückchen in den einzelnen Bodenschichten dürften sie im Extremfall etwa 36.000 Jahre alt sein. Funde unter dem wenige Kilometer entfernten Felsüberhang Olvale Klde lassen vermuten, dass etwa zu diesem Zeitpunkt die Neandertaler in der Region durch ihre modernen Vettern abgelöst wurden. Und womöglich boten die Leinenfasern, die von wilden Pflanzen aus der Umgebung stammten, einen Selektionsvorteil.

"Der Einsatz von Fasern war ein entscheidender Schritt" , meint jedenfalls Bar-Yosef: "Sie könnten für Teile von Kleidungsstücken, Seile, Körbe oder zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen verwendet worden sein." Die Fasern und die aus oder mit ihnen gefertigten Gegenstände sind zum größten Teil Abbauprozessen zum Opfer gefallen.

Der Flachs wurde entweder in Rohform verwendet oder miteinander verdreht zur Herstellung von Seilen genutzt. Und offenbar färbten die Menschen die Fasern sogar ein: Einige wiesen Pigmentspuren auf, die von Wurzeln oder anderen Pflanzenteilen stammten.  (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 12./13. 9. 2009)