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Die OMV bohrt im Marchfeld nach Öl.

Foto: Archiv

Gänserndorf/Ebenthal - Auf der Plattform des Ölförderturms Spannberg T3 in Ebenthal scheiden sich die Wege. Die einen - Straßen, Pfade, Traktorspuren - erstrecken sich unter dem weiten Himmel in der Landschaft, quer durch die Felder und Bauernwälder. Der andere - ein Schacht eigentlich - führt radikal nach unten. Abwärts, ins Erdinnere, wo nicht nur die Bewohner des niederösterreichischen Marchfelds einst den Teufel vermuteten.

Um dieses Loch wird hart gerungen - von Staub bedeckten Männern in Arbeitsgewand, Helmen und kantigen Schuhen. Auch dunkle Brillen tragen sie, doch nicht aus Furcht vor dem Anblick dessen, was in zwei Kilometer Tiefe und mehr aufgestöbert werden könnte. Vielmehr, um die Augen zu schützen. "Es könnte kleine Gasexplosionen geben. Oder eine ordentliche Portion Dampf entweichen", meint Oberbohrmeister Karl Maffei.

Er wendet sich dem Kollegen auf der Plattform zu, klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. Der Mann hätte ohnehin keine Hand frei. Wuchtig umklammert er mit der Rechten einen vibrierenden Hebel, während er die Linke für das Hantieren auf dem Schaltpult braucht. Alle paar Sekunden wirft er einen kurzen Blick auf einen schief über seinem Kopf montierten Bildschirm. Dort ist - wie eine Schlange auf einem Computerschema - der Grabungsverlauf zu beobachten.

Wo diese Schlange endet, befindet sich der Bohrkopf. Ein mit 25 Tonnen Krafteinsatz aus dem Generator bewegtes Stück Rundmetall auf dem Weg zu dem Erdölvorkommen tief unter dem großen Marchfelder Gemüsegarten. Vielleicht - so hofft Reinhart Samhaber, Leiter der OMV-Abteilung Exploration - wird der neue Fund ja vergleichbar groß wie jener in Hohenruppersdorf sein.

Hoffen auf zweiten großen Fund

Dort, nur wenige Kilometer vom Bohrturm Spannberg T3 entfernt, wurden Mitte Februar 4,5 Millionen Barrel Öläquivalent (boe) aufgespürt: 500.000 Tonnen Öl und 200 Millionen Kubikmeter Erdgas drei Kilometer unter Tag. Eine Menge, die einem Drittel der OMV-Jahresproduktion in Österreich entspricht - und im internationalen Vergleich trotzdem nur mittelgroß ist: "Ölfelder, wie sie BP oder Agip zum Beispiel in der Nordsee ausbeuten, sind 15-mal größer", erläutert der Chef.

Dennoch, so Samhaber, rechne sich die Ölförderung in Niederösterreich. Nicht zuletzt aufgrund der im Vorfeld der Probebohrung, bei der Suche nach Öl zum Einsatz kommenden technischen Hilfsmittel: Seit 1993 bedient man sich auf den 5078 Quadratkilometern Konzessionsfläche im Weinviertel der so genannten 3-D-Semoskopie, indem man "in rund 20 Metern Tiefe systematisch kleine Explosionen oder künstliche Erdbebenwellen auslöst". Die Auswertung der unterirdischen Wellenverläufe ermöglicht "die Lokalisierung der Öl- und Gasvorkommen. Weitaus präziser, als wir es in früheren Jahrzehnten konnten."

Nur Pachtgeld für Landbesitzer

So sei es nunmehr möglich, "zerstückelte Fundstellen" aufzuspüren. Schief übereinander liegende zum Beispiel, wie man sie unter dem Ort Ebenthal vermutet: "Der Probebohrverlauf hier ist nicht durchgehend vertikal", erklärt Samhaber.

Später dann, während der Ölsuche als solcher, werden an strategisch günstigen Stellen so genannte Ölsonden aufgestellt: Kleine, aus der Fernsehserie "Dallas" als Symbole des Reichtums bekannte Förderanlagen, von denen derzeit 750 Stück im Hammertakt auf den Feldern in Gänserndorf und Umgebung werken. Das ans Tageslicht gepumpte Öl macht die Grundeigentümer - Bauern meist - dennoch nicht reich. Mehr als Pachtgeld bekommen sie nicht: In Österreich ist der Staat der Eigentümer aller Bodenschätze.

Dabei hämmert manche dieser Ölsonden schon seit den Jahren der Besatzung durch die Alliierten. Das Marchfeld ist bereits sehr lange Fördergebiet: Ende des 19. Jahrhunderts erkannten Experten erstmals, dass im Boden Erdölreserven lagern. Die erste richtige Bohrung fand 1934 in der Gemeinde Gösting statt.

Nach 1945 waren es die sowjetischen Besatzer, die starkes Interesse an den österreichischen Vorkommen hatten. Im Rahmen der sowjetischen Mineralölverwaltung (SMV) richteten sie Förderstationen ein. 1955, nach dem Staatsvertrag, übergaben sie das Unternehmen an die Republik Österreich. Nach schwindendem Interesse in den 80er-Jahren engagierte sich die - privatisierte - OMV in den späten 90ern erneut in heimischem Öl - in Oberösterreich bei Linz ebenso wie im niederösterreichischen Weinviertel.

Deshalb scheppert und dampft und staubt es wieder auf heimischen Ölplattformen wie Spannberg T3. Das ganze Bauwerk schwankt: "Es ist eine schwere Arbeit hier", betont Ferdinand Schöffmann, OMV-Experte für Sondenbehandlung und Bohren. An den intensiven Lehmgeruch aus dem Erdinneren, der in der Luft lastet, hat er sich - so erzählt er - schon gewöhnt. Überhaupt könne ihn und seine 50 Kollegen nur Gefahr von oben stoppen. Der Himmel etwa, wenn er daranzugehen scheint, den harten Männern auf den Kopf zu fallen: "Nur wenn es ein Gewitter gibt, unterbrechen wir die Probebohrung kurz." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. März 2003, Irene Brickner)